Interview mit Marcel Moonen über das
PEP - Programm Entwurfsbasierte Promotion - der Technischen Universität Berlin
Interview: Kunstsektor/Manuel Schmid, November 2024
In einem exklusiven Interview mit Kunstsektor.ch gibt Marcel Moonen Einblick in seine Arbeit im PEP der Technischen Universität (TU) Berlin und wie diese seine künstlerische Tätigkeit beeinflusst.
Marcel Moonen @ PEP TU Berlin, 2024
Kunstsektor: Willkommen Marcel Moonen. Wie lange gibt es das PEP schon, was beinhaltet es genau und wie bist du dazu gekommen?
Marcel Moonen: Ich bin zufällig auf das Programm gestossen, weil ein Freund von mir, der Architekt Michal Czerwinski, sich dafür interessierte und mir davon erzählte. Er hat mich ermutigt, mich zu bewerben.
Ich weiss nicht genau, wann das Programm ins Leben gerufen wurde. Ich glaube vor etwa sieben Jahren. Es ist also ein ziemlich neues Forschungskonzept. Das PEP-Doktorandenprogramm unterscheidet sich von einem normalen Doktorandenprogramm in dem Sinne, dass man durch das Design auch eine Form von Forschung betreibt. Sie ist implizit im Design enthalten, aber man muss einen Weg finden, sie explizit zu machen, sie zu erklären und hoffentlich eine Methodologie daraus zu destillieren.
Kunstsektor: Welcher Kernfrage gehst du bei deiner Arbeit im PEP nach?
Marcel Moonen: Im PEP begann ich mit KI-Werkzeugen zu experimentieren, um einen Weg zu finden diese in die Designpraxis zu integrieren. Diese Experimente führten zu einer eher persönlichen Forschungsfrage:
Wie kann man abstrakte Zeichnungen in generierte räumliche Konstruktionen umwandeln?
Von der Bleistift-Skizze des Künstlers zum 3D-Modell mit Hilfe von Künstlicher Inteligenz. Präsentationsunterlagen von Marcel Moonen @ PEP TU Berlin.
Kunstsektor: Wie war die Resonanz auf deine Vorträge und Ergebnisse bisher?
Marcel Moonen: Künstliche Intelligenz ist ein sehr kontroverses Thema, vor allem im kreativen Bereich. Jeder hat eine Meinung dazu. Viele Kreative haben Angst oder sind sogar wütend, weil sie denken, dass sie nichts mehr zu tun haben werden. Und es gibt ein weiteres starkes Vorurteil über diejenigen, die KI nutzen. Nämlich dass KI alles kann oder dass die Nutzung dieser Werkzeuge überhaupt nicht kreativ ist. Ich möchte diese Gedanken in Frage stellen und zeigen, dass es auch andere „kreative“ Wege gibt, mit diesen Werkzeugen zu arbeiten.
Mit KI zusammen zu arbeiten und etwas Synthetisches zu schaffen, bei dem der Mensch aber immer noch der Autor der endgültigen Kreationen ist.
Marcel Moonen - Strings {Artificial Nature}, 2024
Kunstsektor: Welchen Einfluss hat deine Arbeit im Rahmen des PEP auf deine künstlerische Tätigkeit?
Marcel Moonen: Meine künstlerische Laufbahn begann mit Fotomanipulationen. Ich fotografierte Alltagsszenen aus aller Welt, viele Architekturaufnahmen von Gebäuden und später Nahaufnahmen von Wänden, Türen, Fenstern und anderen Elementen. Mit einer Methode der digitalen Radierung ("erasing") bearbeitete ich diese Bilder so lange, bis sich die Komposition zwischen einem Schwarzweissfoto und einer rein abstrakten Komposition bewegte.
Seit der Gründung von "Super Abstraction" in 2018 habe ich begonnen, Algorithmen in Videosoftware zu verwenden, um Kompositionen aus dem Nichts zu erschaffen. Ich habe Bilder von allen möglichen Gemälden mit Videosoftware zerlegt und die Frames (ein "Frame" ist ein einzelnes Standbild in einer Abfolge von Bildern, aus denen ein Video besteht) ausgewählt, wenn ich darin etwas Interessantes in abstrakter Form entdeckte.
Aus hunderten von Frames habe ich dann diese Bilder zu neuen Werken arrangiert. Weiter habe ich auch angefangen, Videos von abstrakten, sich bewegenden Konfigurationen, zu machen.
Mit der Superabstraktion habe ich mein eigenes Vokabular entwickelt, eine persönliche ästhetische Sprache.
Im Jahr 2022 hat die Entwicklung der KI-Werkzeuge und ihrer Kapazitäten einen enormen Sprung gemacht.
Ich war überwältigt, fragte mich aber auch, wie ich diese Werkzeuge in meinen Workflow integrieren und ihn auf die nächste Ebene bringen könnte. Vielleicht sogar ins Dreidimensionale? Das PEP-Programm hat mich dazu gebracht, mich in die Materie zu vertiefen, alle diese neuen Bildgenerierungstools zu benutzen und sie auch kritisch zu hinterfragen. Damit kann ich besser verstehen, was wirklich passiert, wenn man diese Tools anwendet.
Mehrere hundert Skizzen wurden durch Marcel Moonen bereits angefertigt. Diese bilden die Basis für die mehrstufige digitale
Bearbeitung. In einem nächsten Schritt könnten die generierten Modelle auch in physischer Form umgesetzt werden.
Kunstsektor: Betrachtest du die Künstliche Intelligenz als ein Hilfsmittel für deine Arbeit oder könnte es eher als eine zusätzliche Dimension bezeichnet werden?
Marcel Moonen: Ich produzierte wie verrückt tausende von Kompositionen, die zwar interessant waren, denen ich aber nicht meinen persönlichen Stempel aufdrücken konnte. Bis ich eine Abkürzung gefunden hatte, die für mich funktionierte: Ich benutze meine eigenen abstrakten Zeichnungen als Entwurfsvorgabe für das Bild. Ich habe die Einstellungen verfeinert und meinen eigenen Workflow programmiert; eine Art persönlicher Assistent, der mehr ist als nur eine Maschine, er ist wirklich kreativ, aber er braucht mich immer noch als Guide, Kurator und zum finalisieren des Endprodukts.
Marcel Moonen - Metamorphic Model 003, 2024
Kunstsektor: Wie geht es nun mit deiner Arbeit im PEP weiter und was sind die Pläne für das kommende Jahr?
Marcel Moonen: Für das PEP habe ich noch etwas Zeit, um weitere Daten (Artefakte) zu erstellen, und dann muss alles aufgeschrieben und zu Papier gebracht werden. Derzeit arbeite ich an zwei Serien. Die erste heisst "Artificial Nature". Das sind Kompositionen zwischen 2D und 3D, die sich auf die Natur beziehen. Die zweite Serie trägt den Namen "Metamorphic Models". Bilder von imaginären skulpturalen, architektonischen Modellen und Innenräumen. Als weitere Untersuchung experimentiere ich derzeit auch mit 2D-zu-3D-KI-Software, was noch in den Kinderschuhen steckt. Mal sehen, wie weit wir damit kommen.
Kunstsektor: Vielen Dank für das Gespräch.
Der zeitgenössische Künstler und Architekt Marcel Moonen (geb. 1984) lebt und arbeitet in der Schweiz.
In seiner Arbeit verbindet er Kunst, Architektur, Wissenschaft und Philosophie mit einem Schwerpunkt auf der Didaktik des kreativen Lernens und der Technologie.
2018 Gründung von Super Abstraction.
Marcel Moonen arbeitete und/oder lebte in Madrid, Brüssel, Amsterdam, Rotterdam, Eindhoven, Maastricht, Lelystad, Berlin, Mailand, Paris, Aarau und Zürich.
Längere Aufenthalte in Extremadura, Warschau, Uruguay.
Mehr Infos: marcelmoonen.com